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Tragen

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Kapitel aus:
Jutta Riedel-Henck
Weinendes Baby – Ratlose Eltern
Wie Sie sich und Ihrem »Schrei-Baby« helfen können«.
München: Kösel, 1998.

 

Das Tragen wird im Zusammenhang mit schreienden Babys in vielen Publikationen als beruhigend beschrieben, aber nicht alle Eltern, die es probieren, haben damit auch Erfolg. So unterschiedlich die unerkannten Gründe für das übermäßige Schreien eines Säuglings sein mögen, so verschieden werden sie auf das Herumtragen reagieren.

Da es mit großem Kraftaufwand verbunden ist, ein Baby stundenlang auf dem Arm zu halten und mit ihm umherzugehen, sind seine Eltern bald überfordert. Entweder laufen sie ihrer Erschöpfung zum Trotz lustlos und selbstbeherrscht weiter, oder sie geben es auf und entwickeln ein schlechtes Gewissen, weil sie »nichts« tun, um ihrem Baby zu helfen. Wenn sich das Baby wirklich beruhigt, während es getragen wird, lohnt sich der Gebrauch eines Hilfsmittels wie Tuch, Bauchtrage oder Tragebeutel bzw. Tragesack ganz offensichtlich. Die Erfahrung vieler betroffener Eltern hat jedoch gezeigt, dass es nicht immer notwendig ist, ein schreiendes Baby zu tragen. Entsprechend sollte sich niemand entgegen seiner inneren Haltung zum Tragen zwingen oder verpflichtet fühlen.

    Jedes Mal wenn mein Sohn schrie, nahm ich ihn in die Bauchtrage. Ich entwickelte erstaunliche, krakenähnliche Fähigkeiten, den bis dahin katastrophalen Haushalt mit meinem Sohn in der Trage einigermaßen zu bestreiten. Ich konnte auf diese Weise sogar staubsaugen, was Liam besonders liebte, denn dann schlief er sofort ein. K. R.

Das Tragen von Babys dicht am Körper von Mutter oder Vater wird heute immer mehr und selbstverständlicher befürwortet. Nähe, Bewegung, Halt und Geborgenheit fördern die seelische und körperliche Entwicklung eines Säuglings, unabhängig davon, wie viel und häufig er schreit. Der Gebrauch von Hilfsmitteln wie Tuch, Bauchtrage oder Tragebeutel bzw. Tragesack ist dabei zu Ihrer eigenen Entlastung und aus praktischen Gründen zu empfehlen:

Ein Tragetuch, mit dem das Baby an Ihren Körper gebunden wird, ist nicht nur vielseitig, sondern auch über lange Zeit hin verwendbar. Sie können Ihr Baby seinem Alter gemäß in verschiedenen Haltungen vor dem Bauch, an der Hüfte oder auf dem Rücken »Huckepack« tragen. Das Knoten und Binden erfordert allerdings einige Übung, die unter Anleitung eines erfahrenen Menschen am besten gelingt. Vielleicht finden Sie Hilfe in einer Stillgruppe, bei einer Hebamme, Kinderkrankenschwester oder befreundeten Mutter. Obwohl von den meisten Herstellern inzwischen ausführliche Bindeanleitungen für Tragetücher mitgeliefert werden, kann praktische Unterstützung besonders bei einem unruhigen und schreienden Baby von großem Nutzen sein. Außerdem sollten Sie bei der Anschaffung eines Tuches auf die Größe und Qualität achten. Einige Babyartikelversandhäuser bieten sehr preiswerte und farblich ansprechende Tücher an, die sich allerdings weniger leicht handhaben lassen als z. B. Qualitätsprodukte von »Didymos®« deren Stoffe durch eine spezielle Webart diagonal dehnfähig sind. Sie schmiegen sich elastisch an den Körper und ermöglichen gleichzeitig festen Halt und Bequemlichkeit beim Tragen. Über die Firma Didymos® erhalten Sie auch Kontaktadressen von tragetucherfahrenen Müttern in Ihrer Nähe. Frisch im Aufbau bietet die Trageschule Dresden eine Beraterinnenliste und Eltern- sowie Fortbildungs-Kurse rund um den Gebrauch von Tragetüchern (firmenunabhängig).

Während Sie Ihr Baby mit einem Tuch auch liegend transportieren können, gibt es beim Tragen mit einer Bauchtrage nur die aufrechte Haltung, die vielen Babys (mit oder ohne Bauchschmerzen) behagt. Bei jungen Säuglingen müssen Sie darauf achten, dass sie genügend Halt bekommen und nicht mit gekrümmtem Rücken in sich zusammensacken (bei den gängigen Modellen ist hier meist ein Stützen und An-sich-Drücken durch den Träger notwendig). Durch das Verstellen von Rückenschnalle und Schultergurten können Sie den Sitz (abhängig vom Modell) für Ihre Körpergröße einrichten.

Der Tragebeutel bzw. Tragesack (Snugli) ist gewissermaßen eine Mischung aus Tuch und Bauchtrage. Sie können ihn sowohl für Neugeborene als auch für zwei- bis dreijährige Kleinkinder verwenden. Durch einen verstellbaren Innensack wird die Größe dem Platzbedarf des Kindes angepasst. Der Tragebeutel eignet sich, besonders bei älteren Kindern, auch als Rückentrage. Das Knoten und Binden entfällt, so dass er leicht und ohne viel Übung zu handhaben ist.

    Der Säugling ist nicht von Natur aus ein Nesthocker [...], sondern er wurde zu einem »kulturellen« Nesthocker gemacht [...]. Der tiefe Schlaf des Säuglings auch beim heftigsten Bewegtwerden und selbst bei geräuschvoller Umgebung beweist die beruhigende Wirkung von Lageveränderungen, da diese die Anwesenheit der Betreuungsperson signalisieren. [...] Der menschliche Säugling zeigt verhaltensbiologisch auch heute noch seine Zugehörigkeit zum Jungentypus Tragling. (Kirkilionis, 117-119)

    Die Beobachtungen von Hunziker (1986,1988) zeigten, dass Säuglinge, die etwa vier Stunden pro Tag in aufrechter Körperhaltung getragen wurden, ab der dritten Lebenswoche auffallend weniger weinten als die Kinder der Kontrollgruppe, zudem längere Wachphasen in zufriedener Stimmung aufwiesen, was insgesamt von Vorteil für die Entwicklung des Kindes ist. Auch aus Kulturen, in denen die Kinder vornehmlich getragen werden, ist bekannt, dass die Säuglinge ruhiger sind und seltener weinen. (Kirkilionis, 190-191)

Neben all den genannten, die Entwicklung des Kindes förderlichen Aspekten, birgt das Tragen noch einen weiteren Vorteil in sich: Die Beine des Säuglings nehmen im Tragetuch eine körperbaugerechte Haltung ein, so dass die Heranreifung der Hüfte optimal unterstützt wird. Eine bei mangelhaft ausgebildeter Hüfte häufig empfohlene Spreizhose kann durch das Tragetuch zeitweise ersetzt werden. Die gängigen, auf dem Markt angebotenen Bauchträger werden in dieser und anderer Hinsicht jedoch als untauglich beurteilt, da das Anhocken der Beine nur durch einen ausreichend breiten Steg gefördert werden kann. Eine Ausnahme bietet der Snugli, d. h. der in diesem Kapitel erwähnte Tragebeutel oder -sack, in dem die nötige Spreizung und Hockstellung bis zu ca. 90° gegeben ist. Die darin angenommene fötale Haltung und das Umschlossensein durch den Außensack erinnert das Baby am ehesten an die Geborgenheit im Mutterleib. Das Tragetuch wird insbesondere »bei seitlichem Einsatz für alle Altersklassen als sehr günstig« bewertet, »da dies zudem einen freieren Blick des Kindes im Vergleich zur Front-zu-Front-Stellung ermöglicht.« (Kirkilionis, 168)

Was immer Sie wählen – Tragetuch, Bauchtrage oder Tragebeutel (Tragesack, Snugli) –, es soll Ihnen und Ihrem Baby helfen, das Tragen nicht als Schwerstarbeit zu erleben, so dass Sie beide kurz- und langfristig davon profitieren. Aus orthopädischer Sicht ist auf die Anwendung eines Bauchträgers am ehesten zu verzichten und besser ein Tragebeutel bzw. Snugli zu benutzen, wenn die Handhabung eines Tragetuches schwer fällt.

Einige mit Schrei- und Schlafproblemen vertraute Experten raten davon ab, das Tragen als einschläferndes Mittel zu benutzen. Sie empfehlen, das Baby konsequent an einen festen (Ein-) Schlafplatz zu gewöhnen. Hätte ich nicht selbst erlebt, wie sich die Unruhe meines Babys auf mich übertrug, würde ich dem leicht zustimmen. Natürlich ist es keine Dauerlösung, ein Baby der eigenen Erschöpfung zum Trotz stundenlang zu tragen und an dieses kräfteraubende »Schlafmittel« zu gewöhnen. Andererseits habe ich erfahren, dass ich durchaus fähig war, Aktivitäten einzuschränken und meinem Baby in kleinen Schritten Freiräume zur Selbstberuhigung zu gewähren.

Ratschläge können noch so wertvoll und vielversprechend sein – wichtiger scheint mir jedoch, dass die Eltern Haltung bewahren und ihrem Baby vermitteln: Egal, was geschieht, ich bin für dich da. Ich handle von ganzem Herzen und bin bereit, mein Verhalten mit ganzem Herzen zu ändern – wenn ich reif dafür bin!
 

    Zusammenfassung:

    Das Tragen eines Babys wird heute zunehmend befürwortet. Durch Körperkontakt, Bewegungen des Trägers und daraus resultierende Lageveränderungen wird dem Säugling die ständige Anwesenheit seiner Betreuungsperson vermittelt.
    Bei übermäßig schreienden Babys erweist sich das Herumtragen nicht immer als beruhigend. Viele Eltern schleppen ihr Kind dennoch wie ein Packesel mit sich herum, da sie sich nicht anders zu helfen wissen. Dass solch kräftezehrendes »Marathontragen« dem ursprünglich beruhigenden und entspannenden Effekt entgegenwirkt, liegt auf der Hand. Herumtragen ist kein Allheilmittel und sollte nur dann eingesetzt werden, wenn Träger und Baby kurz- und langfristig davon profitieren. Bei ausbleibenden Erfolgen können Sie dem Baby Ihre Anwesenheit auch vermitteln, indem Sie es am Körper halten, ohne herumzulaufen.
    Tragetuch, Bauchtrage oder Tragesack (Snugli) sind empfehlenswerte Hilfsmittel, um das Tragen zu erleichtern und mit anderen Tätigkeiten (wie z. B. Hausarbeiten) zu verbinden.

 

Quellen:

Kirkilionis, Evelin: Der menschliche Säugling als Tragling unter besonderer Berücksichtigung der Prophylaxe gegen Hüftdysplasie. Dissertation Freiburg, 1989.

 

Tragehilfen im Test und weitere Tipps:

Ökotest Tragehilfen, Januar 2012

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siehe auch:

Rezension von Evelin Kirkilionis »Ein Baby will getragen sein«

Warum es gut ist, ein Baby zu tragen

Meinungen zum Tragetuch von Fachleuten

Annette Schröder
Das Tragen von »Schreikindern« im Tragetuch

 

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© 2012 Jutta Riedel-Henck bzw. den genannten Autoren und Autorinnen