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Evelin Kirkilionis
Ein Baby will getragen sein Alles über geeignete Tragehilfen und die Vorteile des Tragens
169 Seiten, kartoniert München: Kösel, 1999.
€ 12,95 ISBN 3-466-34408-5
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Als ich für die Arbeiten an meinem Buch über »Schrei-Babys« auf der Suche nach Literatur zum Thema Tragen war, stieß ich durch einen Prospekt der Firma DIDYMOS auf eine Doktorarbeit, die ich sogleich
per Fernleihe bestellte. Was ich hier las, passte genau zu meinen persönlichen Erfahrungen, da meine unruhige, stundenlang schreiende und wenig schlafende Tochter eines besonders mochte: getragen werden.
War ich deshalb eine verwöhnende Mutter, die ihr Kind nicht loslassen konnte, in der Gefahr, durch ständiges Herumtragen, Tätscheln und Verhätscheln ein wehleidiges Quengelkind heranzuziehen? Nein,
denn hier stand es schwarz auf weiß, und das sogar im Namen der Wissenschaft: »Der menschliche Säugling zeigt verhaltensbiologisch auch heute noch seine Zugehörigkeit zum Jungentypus Tragling«.
Autorin dieser aufschlussreichen Doktorarbeit war die Humanethologin Evelin Kirkilionis. Dass ihre Erkenntnisse nun in kompakter, leicht verständlicher Form vorliegen, um jene anzusprechen, die es aus
Erfahrung am besten wissen müssten – nämlich die tragenden Mütter (und Väter!) – wurde höchste Zeit.
Was mag eine peruanische Indiofrau nur denken, wenn Sie hört, dass wir Deutschen Bücher lesen, um das Tragen von Babys zu lernen oder überhaupt erst einmal zu bejahen? Sind wir nicht ein armseliges
Volk, dass wir das Natürlichste der Welt nicht einfach leben, wenn unser Herz danach schlägt?
Eine Mutter, die sich heute auf die Straße wagt, muss das ABC der Rechtfertigung beherrschen, wenn sie von verbreiteten Meinungen abweicht und dies sogar in der Öffentlichkeit vertritt. Da braucht es
vor allem wissenschaftliche Argumente, sind die Deutschen doch der Wissenschaft hörig, ob sie deren Hintergründe durchschauen oder nicht.
Sich dem Druck der Öffentlichkeit zu entziehen, um mit einem dicken Fell durch die Straßen zu laufen, ist schwer für eine dünnhäutige, sensible, für die Signale ihres Babys empfangsbereite junge
Mutter. Stattdessen muss sie stets auf der Hut sein vor Beschimpfungen, dummen Bemerkungen oder schiefen Blicken Vorübergehender. Während sie ihr Baby schützt, ist sie selbst schutzlos in unserer
gefühlskalten Kultur. Und da das Wort im Land der Intellektuellen mehr gilt als der zufriedene Gesichtsausdruck eines schlafenden Babys, brauchen wir Bücher wie dieses.
Im praktischen Teil werden verschiedene Tragehilfen vorgestellt, ihre Vor- und Nachteile besprochen und – ganz besonders hilfreich – mit ausführlichen Anleitungen zum Binden der Tücher
ergänzt. Ob auf dem Rücken, der Hüfte, vor dem Bauch liegend oder sitzend: Für jede Haltung gibt es Tipps und Tricks zum richtigen Binden und Knoten. Und auf die Frage: »Werden Sie eigentlich von
einer Tragetuchfirma gesponsert?«, kontert die Autorin prompt: »Ich hätte nichts dagegen, vielleicht können Sie ein gutes Wort für mich einlegen.«
In der Tat erinnert das Titelbild des Buches an die regelmäßig in Elternzeitschriften geschalteten Anzeigen der Firma DIDYMOS. Evelin Kirkilionis hat ihr Werk dennoch eigenständig geschrieben, und der
mündige Leser wird nicht zum Kauf eines entsprechenden Produktes verpflichtet.
Jutta Riedel-Henck, November 1999
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Elisabeth Geisel
Tränen nach der Geburt Wie depressive Stimmungen
bewältigt werden können
252 Seiten, kartoniert
München: Kösel, 1997. € 15,50 ISBN 3-466-34369-0
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Strahlende Gesichter im Fernsehen, betrübte, schweigende Mienen in der Straßenbahn – Illusion und Wirklichkeit.
Hier im Norden Deutschlands, bei stürmischem Regenwetter und wolkenbehangenem Himmel, wirken die Straßen wie ausgestorben. Ich betrachte die bunten Lichter im Fenster eines Wohnhauses gegenüber und
stelle mir vor, wie es dahinter wohl zugehen mag. Andersens Märchen vom kleinen Mädchen mit den Schwefelhölzchen kommt mir in den Sinn, eine einsame Seele von Kind, die erfriert in der Kälte unter
Menschen im Weihnachtsrummel, während es die kleinen Lichter entzündet, da niemand kam, um eines der erhellenden Schwefelhölzchen zu kaufen und dem Kind damit sein Leben zu bezahlen.
Solch traurige Märchen entstammen der Wirklichkeit, die der Sprache beraubt wurde, das Schmerzhafte beim Namen zu nennen. Beliebt ist, was ablenkt, betäubt, süchtig macht nach mehr an rosaroter
Illusion, Erhalt und Pflege glücklicher pausbäckiger Babybilder. Die Macht der Vorstellung ist beständig, der wache Blick in die Wirklichkeit alles andere als ein Lebkuchenschlecken.
Glücklicherweise gibt es Menschen, die wagen, das »Böse« beim Namen zu nennen, um nicht länger davon beherrscht zu werden. Nicht selten stehen sie auf dem Markt wie das Mädchen mit den
Schwefelhölzchen. Beliebt sind Bücher mit bunten Basteltipps, lustigen Liedern und netten Geschichten rund um den amüsanten Familienalltag. Dass nicht wenige Mütter zutiefst deprimiert in ihrem Heim
kauern, mit einem schreienden Baby oder quengelnden Kleinkind, enttäuscht von Verwandten, Freunden, Bekannten, ohne Vertrauen in ihre ureigenen Fähigkeiten, verlassen von »Gott und der Welt«, gelangt
kaum an die Öffentlichkeit.
Mit ihrem Buch Tränen nach der Geburt: Wie depressive Stimmungen bewältigt werden können leistet die Autorin Elisabeth Geisel einen wertvollen, aufrührenden und »gesund aggressiven« Beitrag zur Entzündung all der ungenutzten Energiequellen schlafender, niedergedrückter und eingekesselter Seelen. Ihre reichhaltigen Gedanken, Beobachtungen und Erkenntnisse um die Ursachen depressiver Stimmungen schenken den Betroffenen geistige Nahrung, die schweigende Seele zum Reden zu bewegen, ihr das Recht einzugestehen, traurig zu sein bei all der Lebensfeindlichkeit unserer kopfbeherrschten Kultur.
Ist da nicht eigentlich gesund, wer krank ist? Wer noch fähig ist zu leiden, statt kritiklos zu funktionieren wie ein empfindungsloses Zahnrad im Getriebe »Mensch-neben-Mensch«?
Jeder Mensch ist einmal geboren worden. Manch einer weiß vielleicht gar nicht um seine Tränen, erst die Geburt des eigenen Kindes erinnert an die unterdrückten Schmerzen, die in der Vergangenheit
begraben liegen, ohne wirklich bewältigt zu sein. So ist das Buch von Elisabeth Geisel im Grunde kein reines Elternbuch, sondern eines, das all die schweigenden inneren Kinder weckt, um ein Recht auf
naives, natürliches, unperfektes Leben einzuklagen, auf das wir in unserer Gewohnheit all zu hingabevoll und bereitwillig verzichten.
Jutta Riedel-Henck, Dezember 1999
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Pia Hintze
Der Schnullerschock Roman
240 Seiten, broschiert München: dtv premium, 2003
€ 15,00 ISBN 3-423-24337-6
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Roman oder Erfahrungsbericht, Dichtung oder Wahrheit? Oder beides miteinander vermischt?
Die Geschichte der schwedischen Autorin Pia Hintze, in deren Mittelpunkt die 34-jährige Sarah steht, scheint geradezu der Realität entsprungen und könnte ebenso gut Ergebnis eines Gespräches
zwischen Freunden sein, in dem angestaute Gefühle aus der Seele sprudeln, um sich, längst überfällig, von einem lang gehegten und quälenden Druck zu befreien.
In der Tat geht es in dem Roman wie auch im Leben jedes denkfähigen Menschen um die Enttäuschung von Wunschvorstellungen rund um Liebe, Ehe, Kinder, Freundschaft und Karriere.
Die brave Protagonistin, noch mit unsichtbarer Nabelschnur an die eigenen Eltern gebunden, führt uns in dem Buch durch ein aufwühlendes Drama intimer Selbstgespräche, zugleich die Handlung verweigernd,
wenn es darum geht, ihre Individualität und persönlichen Bedürfnisse ins Spiel zu bringen. Bestückt mit Plänen und Hoffnungen wartet sie meist vergeblich, dass Partner, Eltern und Freunde ihre
Wünsche erriechen und ungefragt darauf eingehen.
Sei es bei der Fruchtwasseruntersuchung, die Sarah entgegen innerer Abneigung und Ängste über sich ergehen lässt, um während dessen in Ohnmacht zu fallen, im Umgang mit der betreuenden Hebamme, von
der Schwangeren als aufdringlich und unsensibel empfunden, oder bei der Entscheidung zum Kauf und Bezug eines Hauses auf dem Land, den die stadtliebende Mutter alsbald bereut: Ihre innere Stimme schimpft
in einem fort und wendet sich mit ihren wahren Gedanken vertrauensvoll an den Leser.
Unterdrückte Wut, verschluckter Widerstand, Ärger, Enttäuschung, Trauer – ein ganzer Haufen heftiger Gefühlswallungen schwappt an die Oberfläche, das Lesetempo rasant zur letzten Seite treibend
auf der Suche nach der endlichen Lösung aus der Stress-Spirale einer jungen Mutter, die sich isoliert und einsam fühlt, verlassen von ihrem in seine Arbeit flüchtenden Mann, missverstanden von
Bekannten und vermeintlichen Freunden.
Die alte Welt bricht zusammen, eine neue ist noch nicht gefunden. Erst allmählich wagt Sarah, ihrer Stimme Ausdruck zu verleihen und sich durchzusetzen: im Gespräch mit jungen Müttern, die ihre Babys
mit dem allseits bekannten Schlafprogramm behandeln, gegenüber einer kinderlosen Freundin, die Sarah um ihre Mutterschaft beneidet, den Stress der durchwachten Nächte dabei großzügig ausblendend,
oder im Streit mit Karl, dem Vater ihres Sohnes Nils – Sarah kämpft sich mühsam durch das erste Lebensjahr ihres ersten Kindes, um zugleich selbst geboren zu werden und die Rolle der Tochter
dabei abzustreifen wie eine schnaufend strampelnde Raupe.
Koliken, schreiende Babys, wunde Brustwarzen, Tragebeutel und unbenutzte Kinderwagen ... all das kommt in diesem Roman zur Sprache. Ein wohltuendes Leseerlebnis für Mütter und Väter, die sich mit
wachen Sinnen durch die erste Zeit ihres frisch gebackenen Elterndaseins hangeln, sich mit Wehmut, aber auch ungeahnten Glücksgefühlen von ihrem alten Leben verabschiedend.
Der Schnullerschock, ein schönes Geschenk für gestresste Mütter, am besten im Kombipack mit einem Babysitter-Abonnement für die regelmäßige Betreuung ihrer Kleinen – und damit ein paar
genüssliche freie Stunden zum Lesen und Entspannen.
Jutta Riedel-Henck, 24. Februar 2003
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Vivian Weigert
Das kleine Stillbuch Alles Wichtige auf einen Blick
176 Seiten, Klappenbroschur München: Kösel, 2005
€ 12,95 ISBN 3-466-34486-7
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